Schöne Medienwelt

Mensch und Medien, Politik und Sex, Klatsch und Bildung: Meine Meinung zu sehr unterschiedlichen Themen.

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Der Blog gibt nur meine private Meinung wieder und steht in keinem Bezug zu meiner unternehmerischen oder beruflichen Tätigkeit.

Dienstag, März 14, 2006

Lächeln oder Verhüten


Die Deutschen sterben mal wieder aus. Scheinbar gewöhnt man sich daran, aber das Gefühl ist trügerisch, denn bisher hatten wir die Folgen noch nicht zu spüren. 2005 wurden also nur noch halb so viele Babys geboren wie 1964, 670.000 statt 1,35 Millionen. 1964, das ist mein Jahrgang, 2005, das ist der Jahrgang meines Sohnes. Und wenn ich in einer Excel-Tabelle die Bevölkerungsverteilung von 2001 mit den in etwa bekannten Sterbetafeln, mit angenommenen Geburtenraten der Frauen und der heutigen Zuwanderung fortentwickele, dann komme ich für 2060 nur noch auf 334.000 Babys - die nächste Halbierung.

Man verdrängt gerne, was das für einen selbst bedeutet. Wer zahlt mir die Rente? Wer pflegt mich? Werde ich in Frankfurt oder Köln dann so leben wie heute in Hoyerswerda oder Eisenhüttenstadt, wo sich alle 25 Jahre die Bevölkerung halbiert? Wo nur noch wegen mangelndem Bedarf geschlossen und nichts mehr eröffnet wird? Und wie sieht es für meinen Sohn aus, wenn er in Rente geht? Wird er überhaupt noch in Deutschland leben wollen? Die Schrumpfung der Bevölkerung würde das deutsche Wirtschaftswachstum auf vielleicht ein halbes Prozent senken, sagen Wirtschaftsforscher. Wer die Wahl hat, wird dann vielleicht lieber woanders leben - und wer zurückbleibt, wird dann noch nicht mal für dieses halbe Prozent Wirtschaftswachstum sorgen können.

Heute ist Deutschland ungeheuer wichtig in der Welt - und kaum ein Deutscher merkt es. Es kann in einigen Jahrzehnten, noch zu meinen Lebzeiten und ganz sicher zu Lebzeiten meines Sohnes, umgekehrt sein - nur die Deutschen nehmen sich noch wichtig, die Chinesen, Amerikaner oder Inder bemerken gar nicht, daß es Deutschland noch gibt. Exportweltmeister, 6% der Weltwirtschaftsleistung, führendes Forschungsland, das hängt alles auch an der deutschen Bevölkerungszahl. Die Deutschen meinen vielleicht, ihr Land wäre auf dem Globus so klein, eine Bevölkerung von 82 Millionen bei über 6 Milliarden Erdenbürgern nicht der Rede wert. Aber die Wahrnehmung der Deutschen hängt auch daran, welche Wirtschaftsleistung sie erbringen. Man kann sogar weiter gehen: die kulturelle Durchsetzungskraft der Deutschen (nicht nur in Deutschland) hängt daran, wie viel Wirtschaftskraft mit deutschsprachigen Wertschöpfern verbunden ist. 2003 war die weltwirtschaftliche Leistung gut 37 Milliarden Euro. Davon kamen 39% aus englischsprachigen Ländern, 12% aus Japan und 7% aus deutschsprachigen Ländern. Chinesisch-, spanisch- und französischsprachige Länder folgen - in der Reihenfolge. Wir sind wichtiger, als wir denken, und wir profitieren davon. Fast jedes globale Unternehmen braucht ein Standbein in Deutschland, deutsche Konsumenten haben globale Marktmacht, Nichtdeutsche lernen deutsch, weil man in der Sprache Geschäfte machen kann. Finnen, Ungarn oder Slowenen kommen mit ihrer Sprache nicht weit. Sie leben nicht unbedingt schlecht, aber Deutsche haben es bequemer. 2040 aber wohl nicht mehr, denn bis dahin können sich Chinesen, Inder, spanisch-, französisch- und portugiesischsprechende Länder vor die deutschsprachige Welt gesetzt haben. Bis dahin sollten wir alle gut Englisch gelernt haben, denn ohne diese Sprache läuft dann auch in Deutschland nichts mehr, oder?

Wir wissen, daß es schlecht ist, zu wenig Kinder in die Welt zu setzen, jedenfalls die meisten unter uns, trotzdem lassen wir es zu. Warum? Sind wir in Deutschland zu gut im Ausredenerfinden? Es gibt Länder mit geringerer finanzieller Förderung von Kindern, mit weniger staatlicher Kinderbetreuung, mit schlechterer wirtschaftlicher Lage, in denen trotzdem Frauen mehr Kinder gebären. Wenn wir daran drehen, werden das zwar alle Familien begrüßen, aber vermutlich wird sich an der Geburtenrate nicht mehr als 10%, vielleicht 15% ändern. 1,4 Kinder bekommen Frauen in Deutschland im Durchschnitt. 50% mehr müßten es sein, um die Bevölkerungszahl zu halten. Im Grunde aber liegt es daran, daß die Menschen in Deutschland einfach keine Kinder zur Welt bringen wollen. Es macht Arbeit. Es stört gerade. Erst noch die Ausbildung. Erst noch in den Beruf einsteigen. Erst noch sich selbst erfüllen. Erst noch... Und dann das Kind. Wenn es gut paßt. Wenn man, leider, nicht mehr kann, alte Menschen sind nun einmal nicht fruchtbar.


Warum wollen gerade Deutsche so ungern Kinder zur Welt bringen? Ich habe dazu jetzt keine wissenschaftliche Untersuchung gemacht, aber ich glaube, es liegt auch daran, daß Deutsche zu wenig lächeln. Wer lächelt, das Leben von der freundlichen Seite sieht, optimistisch ist, der hat auch gerne Kinder. Er sieht die Chancen für seinen Nachwuchs, nicht bloß die Sorgen. Wer stets meckert, wer immer überlegt, wem es besser geht, warum etwas nicht gehen sollte, was einem zusteht, der findet auch leicht Gründe, warum er gerade keine Kinder in die Welt setzen kann. Man schaue sich an, wie leicht Menschen in den USA oder in Irland lächeln, und wie viele Kinder sie haben. Man betrachte, wie sorgenvoll Menschen in den früheren Ostblockländern sind, wo die Kinderzahl besonders dramatisch zurückging. Und man denke an die deutsche Mentalität, wo das Gras jenseits des Zauns immer grüner ist und man in jeder Suppe ein Haar findet. Wer wirklich ein Kind will, der fragt nicht, wie er das bezahlen soll und in welche Kindertagesstätte er es geben soll, der denkt nicht an seine Arbeitslosigkeit oder an Klimaveränderungen, der macht es einfach.

Wer nicht lächelt, verhütet. Wer lächelt, läßt zu. Kinder sind so. Und wer Kinder wirklich will, der muß was kindliches in sich fühlen.

1 Comments:

Blogger J. Zimmermann said...

Das Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) gibt Hinweise darauf, daß der mangelnde Kinderwunsch in Deutschland weniger ökonomisch bedingt ist, denn einer besonderen Einstellung entspringt - einer besonders deutschen Einstellung.

Die FAZ schreibt dazu: "Freiwillige Kinderlosigkeit ist ein wachsender Bestandteil in der Lebensplanung der Deutschen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden, das sich im Auftrag des Bundesinnenministeriums mit den Ursachen und Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung befaßt. (..) Planten deutsche Paare 1992 im Durchschnitt noch zwei Kinder, ist dieser Wert nach der aktuellen Studie auf 1,7 gesunken - der Wunsch und die Realität von 1,4 Kindern pro Frau nähern sich damit an." Es ist also nicht so, daß die Deutschen gerne deutlich mehr Kinder hätten, wenn nur mehr Geld oder mehr Kindergartenplätze da wären - sie wollen einfach nicht. "Von den 20 bis 39 Jahre alten Kinderlosen zeigte sich mehr als ein Drittel zufrieden mit diesem Zustand." Die lockt man also nicht mehr so leicht ins Kinderkriegen. "Doch die Studie zeigt auch, daß eine familienorientierte Politik auf den Wunsch nach Kindern ohne Einfluß bleibt. Die Befragten bezeichneten eine gezielte Familienpolitik nur als „Erleichterung” für die Erfüllung bereits existierender Wünsche. Mehr Kinder wollten sie deshalb aber nicht bekommen." (Text: aman. / F.A.Z., 03.05.2005, Nr. 102 / Seite 9)

Die Psychologie der speziell deutschen Kinderlosigkeit beschreibt ein anderer Artikel der FAZ: "Sonderfall Deutschland: der Kinderwunsch geht zurück

Was Deutschland nämlich von vielen anderen Staaten unterscheidet, ist nicht so sehr der Rückgang der Geburtenzahlen als der Rückgang des Kinderwunsches, von tendenziell zwei auf tendenziell nur ein Kind. Abstrakte Kinderwünsche bestehen eher unabhängig von der Frage, ob die Öffnungszeiten des Kindergartens zu knapp bemessen sind. Auf dieser Wunschebene entscheiden ganz andere Faktoren.
Zumindest möglich erscheint es zum Beispiel, daß neben der normativen Sozialisierung der neuen Elterngeneration in einer kinderärmeren Gesellschaft auch der gesamtgesellschaftliche Pessimismus in Deutschland, die kollektive Depression, das Jammern und endzeitliche Reden vom Niedergang, ja pikanterweise auch der Alarm in demographischen Fragen zu einem düsteren Klima beitragen, das vitale Wünsche drosselt. Wer das Gefühl vermittelt bekommt, mit Kindern nur Bedienstete der nächsten Rentnergeneration in die Welt zu setzen, mit denen er einsame Stunden auf verwaisten Spielplätzen zu verbringen haben wird, den mag das eher abschrecken als der Verzicht auf Restaurantbesuche, durch den die Windeln finanziert werden müssen. Gerade die Zielgruppe der in den sechziger Jahren Geborenen war in ihrer Jugend Weltuntergangsszenarien grün gepolter Lehrer ausgesetzt. Damals hieß es, man dürfe in diese Welt keine Kinder setzen. Heute heißt es, man solle Kinder bekommen, weil die demographisch-ökonomische Lage so düster sei. Ob das überzeugender ist?" (Text: F.A.Z., 11.08.2005, Nr. 185 / Seite 31)

14 März, 2006  

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