Schöne Medienwelt

Mensch und Medien, Politik und Sex, Klatsch und Bildung: Meine Meinung zu sehr unterschiedlichen Themen.

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Standort: Köln, Germany

Der Blog gibt nur meine private Meinung wieder und steht in keinem Bezug zu meiner unternehmerischen oder beruflichen Tätigkeit.

Dienstag, März 21, 2006

Warum gibt es Pechvögel?

Pechvögel, das sind Menschen, denen alles schief zu gehen scheint. Menschen, denen das Schicksal nicht wohl gesonnen ist.

In früheren Zeiten waren solche Pechvögel sogar Menschen, die gemieden werden mußten. Man glaubte, Pech wäre ansteckend wie eine Krankheit. Im alten Griechenland glaubte man an ein Schicksal, dem niemand entrinnen konnte. Selbst wenn man schon wußte, was kommen würde, konnte man es doch nicht ändern. Oidipus erschlug seinen Vater und heiratete seine Mutter, obwohl ihm dieses vorausgesagt wurde. Pech war etwas, was einem ohne eigenes Handeln, und trotzdem schuldhaft anhing.

Bei den Indern glaubte man daran, daß schuldhaftes Handeln in einem früheren Leben Unglück in einem späteren Leben bedeuten konnte. So erklärte man sich, daß scheinbar unschuldige und gute Menschen schwerstes Unglück erleiden konnten. Seltsam ähnlich auch der Glaube der Calvinisten. Am Erfolg eine Menschen, also an seinem Glück oder Unglück, sahen sie Gottes Werk. Die Vorbestimmung des Menschen unterlag seiner nur Gott sichtbaren Schuldhaftigkeit. Nicht wer schuldig war, wurde unglücklich, sondern wer unglücklich war, war sicher auch schuldig.

Aus der Sicht der Wissenschaft gibt es für alle Ereignisse Wahrscheinlichkeiten, mit denen sie eintreten. Wenn man seine Hand auf die heiße Herdplatte legt, wird sie mit Wahrscheinlichkeit 1 danach weh tun. Daß man vor Schmerz zurückspringt, dabei eine Regalwand herunterreißt, dadurch eine Flasche Waschbenzin auf den Herd fällt, welche einen Brand entfacht, durch den das Haus abbrennt, diese Wahrscheinlichkeit ist sehr gering. In so einem Fall redet man üblicherweise von Pech.

Pech ist also, wenn jemand ein unglückliches Ereignis erlebt, das nur eine geringe Eintrittswahrscheinlichkeit hat.

So gesehen müßte jeder wechselnd Glück und Pech haben, und zwar jeweils wesentlich seltener, als normale Ereignisse.

Der Pechvogel ist also jemand, bei dem das Pech öfter eintritt, als bei einem durchschnittlichen Menschen.

Nun möchte natürlich niemand gerne ein Pechvogel sein. Es muß aber zwangsläufig deshalb Pechvögel geben, weil es den durchschnittlichen Menschen gar nicht gibt. Angenommen, jeder Mensch könnte in seinem Leben 100 Mal Pech oder Glück haben. Dann ist es sicher am wahrscheinlichsten, daß jemand ungefähr genauso oft Glück wie Pech hat. Trotzdem ist es aber nie ausgeschlossen, daß sich unter den Milliarden Menschen auch welche befinden, die über 90 Mal Glück und nur 10 Mal Pech haben oder umgekehrt. Daß der Pechvogel von sich annimmt, er sei verflucht, es ginge nicht mit rechten Dingen zu, ist ganz natürlich. Trotzdem ist es falsch, denn wir brauchen keine göttliche Fügung, um Pechvögel zu haben.

Das klingt alles reichlich akademisch, und nun fragt sich der Leser: "Na und? Ob es eine Statistik für Pechvögel gibt, ist doch genauso interessant wie eine Statistik über Penisbrüche unter Masochisten in Japan. Ich wüßte lieber, wie ich Pech vermeiden kann."

Da gibt es dann zwei Antworten. Die unbrauchbare ist - man kann seinem Pech oder Glück nicht entrinnen.

Die brauchbare ist, man kann aber sein Pech oder sein Glück festhalten.

Manche unterscheiden hier zwei Menschentypen: den Gemütsmenschen und den Tatmenschen.

Der Gemütsmensch reflektiert sein Dasein, sein Leiden und sein Glück und ist entsprechend betrübt oder froh. Er sieht sich als Opfer des Zufalls oder des Schicksals und beklagt, daß er ein Pechvogel ist. Der Tatmensch hingegen ist täglich damit bemüht, seine Welt zu erschaffen. Er versucht...nein, Tatmenschen kennen das Wort "versuchen" oder "sich bemühen" nicht - sie tun oder tun nicht. Es ist klar, daß Gemütsmenschen geradezu darauf warten, daß das Unglück sie überfällt. Fast genußvoll sehen sie sich in der Opferrolle, die sie nicht wenden können. Im Glück werden sie aktiv - und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, daß es sich wendet. Im Unglück werden sie passiv, und erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit, daß es bleibt. Der Tatmensch läßt die Situation los, die ihn unglücklich macht und schafft sich eine neue - hoffentlich glücklichere.

Im Börsenalltag kennt man dies auch als Donald/Dagobert-Typen. Donald glaubt nicht an sein Glück und verkauft die Gewinneraktie, wenn sie gerade ein bißchen Ertrag abwirft, weil er möglichst schnell sein Glück feiern und den Erfolg in Geld sehen möchte. So begrenzt er den Reichtum, den er bekommen könnte. Die Verliereraktie hingegen hält er, weil er hofft, am Ende doch noch Gewinn zu machen. Die Verluste sind unbegrenzt. Vielleicht ist es auch so, daß Donald vom Unglück passiv wird. Er bejammert nur sein Leiden, ändert es aber nicht. Dagobert hingegen läßt fallen, was keinen Ertrag bringt und begintn etwas Neues. Hat er Glück, dann hält er es fest, so lange es anhält, und verkauft erst, wenn der Aufwärtstrend gebrochen scheint. Und daß das der Fall ist, stellt Dagobert illusionslos frühzeitig fest. Zum Feiern seines Glückes hat Dagobert keine Zeit, denn er hat schon den nächsten Gewinn im Auge.

Was man vom Aktienhandel kennt, gilt nicht weniger für das tägliche Leben. Glückliche Situation halten, unglückliche ändern, statt umgekehrt im Glück übermütig und ungeduldig zu werden, hingegen das Unglück zu erdulden und zu bejammern, ohne an ein Handeln zu denken.

Wenn ich erdulden schreibe, dann steckt darin das Wort "Geduld". Kann es sein, daß man leichter zum Pechvogel wird, wenn man Geduld hat? Es ist nicht die Geduld gemeint, die in der Beharrlichkeit steckt, ein Ziel zu erreichen, auch wenn der Weg dahin länger dauert, sondern die passive Geduld, immer einfach abzuwarten, was noch geschieht, bevor man sich zum Handeln entschließt. In der Zeit, in der man wartet, laufen einem die Ereignisse davon, wendet sich das Schicksal gegen einen. "Hätte ich doch nur gehandelt...jetzt ist alles noch schlechter geworden" sagt man sich und wartet weiter ab.

Man sollte mal um sich blicken und beobachten, wer eher ein Pechvogel zu sein scheint und wer eher ein Glückspilz. Der Glückspilz ist oft eher laut, quirlig, tatkräftig, sogar dumm, der Pechvogel eher langsam, nachdenklich, geduldig, teilweise sogar erschreckend intelligent und sensibel. Gerade letzteres macht ihn um so eher unglücklich, denn er nimmt ja sein Unglück auch noch intensiv wahr, während der Glückspilz, wenn er mal hinfällt, einfach wieder aufsteht und gar nicht auf die Idee kommt, über den Sinn des Ganzen nachzudenken.

Letzteres nährt allerdings einen Verdacht. Objektiv gesehen gibt es unter uns Pechvögel und Glückspilze. Aber wie nehmen die Menschen dies wahr? Tatsächlich ist es eine Frage der inneren Grundeinstellung, ob sich jemand als Pechvogel sieht, oder ob jemand ein paar Mal Pech haben kann, ohne sich etwas dabei zu denken.

Und hier kommt dann noch die Figur der "selbsterfüllenden Prophezeiung" ins Spiel. Wer sich als Pechvogel sieht, wird passiv und unsicher. Und bringt sich damit in eine Haltung, die weiteres Pech anzieht. Wer sich hingegen als Glückskind sieht, der ist selbstsicher und aktiv - und zieht weiteres Glück an. Kurz: wer hat, dem wird gegeben. Pechsträhnen, sich verstetigendes Pech, das ist Teil des Menschseins, weil wir genetisch dazu veranlagt sind, auf unsere Umwelt in bestimmter Weise zu reagieren, zum Beispiel in Schmerzvermeidung. Und wenn Handeln Unglück bringt, dann werden wir passiv, weil wir auch seelischen Schmerz vermeiden.


Wenn wir an dem Punkt sind, haben wir verstanden, daß wir die Zufälle des Lebens nicht ändern können, wir können aber verschieden mit ihnen umgehen. Doch einen Schritt vorher gibt es noch zwei weitere Dinge, die uns Glück oder Pech bringen.

Vor Pech bewahren kann uns die Intuition. Pech mildern können Vorsorge und ein soziales Netz. An diesem Punkt werden Menschen doch auch aus eigenem Vermögen Pechvögel oder Glückspilze.

Was spreche ich mit der Intuition an? Der Kriminalforscher Gavin de Becker (unter anderem Autor von "Mut zur Angst") gibt dieses Beispiel:

Ein Mann betritt einen Schnellimbiss. Es ist Abend. Im Laden sieht alles ganz normal aus. Hinter der Theke wartet ein Angestellter, etwas abseits steht der einzige Kunde und hat scheinbar noch nicht bestellt. Den Mann überkommt ein komisches, aber starkes Gefühl von Gefahr, scheinbar komplett grundlos. Niemand schreit um Hilfe, niemand benimmt sich bedrohlich. Trotzdem folgt der Mann seiner Intuition und verlässt den Laden. Er kommt sich ziemlich blöd vor dabei. Seit wann ist er ein solcher Angsthase und Hysteriker?
Einige Stunden später hört er in den Spätnachrichten, dass in diesem Imbiss ein Überfall stattfand und ein Passant erschossen wurde.
Der geschockte Mann meldet sich daraufhin bei der Polizei als Zeuge. In der Befragung lässt sich rekonstruieren, was ihm — unbewusst — aufgefallen war. Da war erstens der Habitus des Angestellten. Der hatte zwar nichts gesagt und sich auch nicht getraut, etwas zu signalisieren, aber trotzdem waren seine Bewegungen nicht »normal« gewesen. Auch hier hätte man, gäbe es eine Videoaufzeichnung, dieses »nicht normal« empirisch griffig machen können. Die Weite seiner Pupillen, die fahrigen Bewegungen, die Art und Weise, in der er den eintretenden neuen Kunden nur kurz mit einem Blick streifte und sofort wieder auf den anderen Kunden schaute, obwohl dieser scheinbar nur im Raum herumstand. Das alles waren Fakten, die der Zeuge blitzschnell registriert, aber noch nicht mit dem Verstand verarbeitet hatte. Dann die Jacke, die der Kunde trug. Die war viel zu dick und warm für den lauen Frühlingsabend, aber gut dazu geeignet, darunter eine Waffe zu verbergen. Von seinem bewussten Hirn längst vergessen, aber unterbewusst noch gespeichert, war da schließlich noch die Tatsache, dass der Mann am gegenüberliegenden Eck ein Auto gesehen hatte, in dem zwei Männer saßen und scheinbar auf etwas warteten – das Fluchtauto, wie sich später herausstellte.
"Mensch, du hast Glück gehabt", meinten die Freunde des Zeugen, als sie von seinem knappen Entkommen erfuhren.


Tatsächlich hatte der Glückspilz eine gute Intuition, das heißt, eine sensible und rasche Auffassungsgabe für die Risiken einer Situation, und er war in der Lage, seinem Bauchgefühl zu folgen.

Pech wird insbesondere zu solchem, wenn man keine Vorsorge betreibt und unnötige Risiken eingeht. Der Volksmund sagt, wer sich in die Gefahr begibt, kommt drin um. Trotzdem begeben sich zum Beispiel viele Menschen im Straßenverkehr unnötig in Gefahr, weil sie eine Strecke ein paar Minuten schneller fahren wollen und deshalb rasen. Oder Menschen machen sich keine Gedanken darüber, was geschehen könnte und sorgen daher nicht vor. Weil keine Versicherung bestand, kann der Tod des Familienvaters plötzlich die Familie ins Unglück stürzen. Manche Menschen präparieren sich ihre Welt so, daß jeder Zufall automatisch ein Schadensfall wird. Sie sind nur auf eines vorbereitet - daß alles sich genau nach Wunsch entwickelt. Gerade das ist wenig wahrscheinlich. Andere bereiten sich alles so vor, daß sie auf unglückliche Zufälle vorbereitet sind und glückliche Zufälle nutzen können. Sie haben immer einen Plan B, weil immer etwas schief gehen kann.

So gesehen macht unser Handeln aus Zufällen Glück oder Pech.

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