Schöne Medienwelt

Mensch und Medien, Politik und Sex, Klatsch und Bildung: Meine Meinung zu sehr unterschiedlichen Themen.

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Standort: Köln, Germany

Der Blog gibt nur meine private Meinung wieder und steht in keinem Bezug zu meiner unternehmerischen oder beruflichen Tätigkeit.

Donnerstag, März 23, 2006

Ein Saft wie Gold

Wer auf die Preisschilder der Tankstellen schaut, der weiß, Benzin ist knapp geworden. Auch, wenn man nicht weiß, ob es gerade knapp ist, weil in Nigeria einige Shell-Mitarbeiter als Geiseln genommen wurden oder weil der Iran vielleicht den Ölhahn abdrehen könnte (könnte!) oder weil in Venezuela Präsident Chavez seine Magenpillen nicht genommen hatte und in seiner persönlichen Fernsehshow 3 Stunden über die Yankees schimpfte oder weil ein Hedgefondsmanager meinte, daß es nicht schlecht wäre, wenn der Benzinfuture in Yokohama 3 Basispunkte höher tickte, egal, Benzin ist jedenfalls rar und teuer. Was macht man da?

Auf sein Auto verzichten.

Hahaha, der war gut! Nein, im Ernst – seit einem Jahr hat der Benzinpreis den Euro pro Liter weit hinter sich gelassen, und die ersten Autofahrer fangen an, sich an die Preise zu gewöhnen. Aber ich nicht. Und das hat seinen Grund.

Vor wenigen Monaten habe ich mein altes Auto, das zehn Jahre gute Dienste leistete, auf seine letzte Reise geschickt. Nach Weißrußland, um präzise zu sein, weil man dort gut das Doppelte von dem zahlen wollte, was man hierzulande für einen Gebrauchtwagen bekommt. Das aber nur am Rande. Der neue Wagen hat nämlich eine technische Zugabe, eine Spielerei, die ich bisher noch nie vermißt hatte, nämlich eine Verbrauchsanzeige, in Litern je 100 km. Bisher hatte ich mir immer den Kilometerstand zu den Tankrechnungen aufgeschrieben und wußte, die letzten 2 Wochen blieb der Verbrauch im Rahmen – oder auch nicht. Jetzt aber sehe ich permanent den augenblicklichen Verbrauch. Und das hat wirklich eine gewaltige erzieherische Wirkung.

Wie jeder weiß, spart defensive Fahrweise Sprit. Selbstverständlich fahre ich defensiv. Dachte ich. Ich fahre gemäßigte 140 auf der Autobahn. Da räuspert sich die Verbrauchsanzeige: „Ich will ja nicht stören, aber so wie Du fährst, haust Du bald 9 Liter pro 100 Kilometer raus.“ „Wie bitte, ich fahre doch kaum schneller als 130. Hier, jetzt fahre ich 130 genau.“ Die Verbrauchsanzeige schaut mich nur vorwurfsvoll an und bleibt auf der 8,9 stehen. Ich nehme Gas weg. „Hier, ich fahre jetzt 110, hörst Du, 110.“ Die Verbrauchsanzeige gibt etwas Motivation und geht langsam herunter. Sehr langsam. Plötzlich ist es aus. „Was ist denn jetzt schon wieder los?“ rufe ich aus. Die Verbrauchsanzeige schaut mich vorwurfsvoll an – eine Steigung, und ich wollte das Tempo halten. Wir fahren jetzt 100 und hinter mir bildet sich eine Schlange von Autofahrern, die mich und meine Nachkommen bis ins siebte Glied verfluchen. So begann eine fruchtvolle Zusammenarbeit...

Als ich den Führerschein machte, stand energiesparendes Fahren noch nicht auf dem Programm, und die Technik der Autos war noch etwas einfacher. Sie wollen also Benzin sparen, wenn sie am Gefälle die Kupplung treten? Falsch, ganz falsch. Die letzten Monate konnte man in den Zeitungen, den Magazinsendungen, überall lesen: „Nicht die Kupplung treten – wenn man ohne Gas fährt, verbraucht der Wagen in einem Gang weniger als bei getretener Kupplung.“ Das konnte ich jetzt sehen. Bei Steigungen – vorher Schwung holen, in der Steigung den Wagen langsamer werden lassen. 10.000 LKWs können nicht irren. Vor allem aber, alle Beschleunigungsspitzen kappen. Gut, ich nehme grundsätzlich nicht am Rennen teil „Wer steht zuerst an der roten Ampel.“, auch wenn es ärgerlich ist, wenn dann ein Schnösel hinter mir noch mal Gas gibt, um sich auf den letzten 20 Metern noch schnell vor mich zu setzen. Ich bin dann schon froh, wenn es eine zweite Spur gibt und der Drängler nicht auf meiner Spur überholen will. Aber auf der Autobahn wird meine Verbrauchsanzeige sehr deutlich. „Langsamer!“ „Ich fahre doch langsam.“ „Noch langsamer.“ Ich lerne, daß es beim Verbrauch meines Autos einen Unterschied von über 7% macht, ob ich die 12 Kilometer zur Arbeit mit einer Spitzengeschwindigkeit von 105 oder von 95 Kilometern pro Stunde zurücklege. Ich lerne, daß es einen Weg gibt, die offiziellen Verbrauchsangaben des Autos zu erreichen und der ist: „Langsam fahren.“

Ab und zu kriecht vor oder hinter mir ein anderes Auto in meinem Schneckentempo. Ein Bruder, eine Schwester im Geiste. Oder eine Rentnerin, die in ihrer Jugend noch gelernt hat, daß Fahrzeuge mit der halsbrecherischen Geschwindigkeit von 20 km/h zu Fieber, Wahnsinn und Impotenz führen können, und man die Eisenbahn daher verbieten müßte. Alle hassen mich, denn selbst Geschwindigkeitsbegrenzungen von 60 km/h halte ich penibel ein, auch ohne Warnung vor einem Blitzer. Und ich merke, wir sind wahrhaftig ein Volk von Rasern. In der Tempo-60-Zone auf der reparaturbedürftigen Autobahn überholen mich Autos mit einer Geschwindigkeit, daß die Scheiben dröhnen. So einer war ich wohl auch mal, denke ich, und meine Verbrauchsanzeige nickt aufmunternd. 6,6 Liter pro 100 Kilometer, ein neuer Rekord. Wie konnte ich je ohne Verbrauchsanzeige auskommen?

Wie ein Junkie hänge ich an ihrer Anzeige, und versuche hier und da noch einen Zehntel Liter im Verbrauch herunterzugehen. Die Benzinpreise steigen? Ich spare. Es ist bereits eine Sucht. Ich stelle mir schon vor, wie ich meiner Frau zurufe: „Schatz, ich bin noch mal mit dem Auto weg.“ „Aber wieso denn?“ „Nur so, noch ein bißchen Benzin sparen

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